
Casper und Hunt – zwei Hunde, wie sie unterschiedlicher nicht sein können.
Wir werden ja oft gefragt, ob wir nur spezielle Rassen haben oder ob gewisse Hunde besonders auffällig sind. Das können wir stets mit „Nein, es sind alle betroffen“ beantworten. Betroffen von wenig sachkundigen Haltern, betroffen von Menschen, die ihnen menschliches Verhalten und Verständnis für Moral und Gleichberechtigung andichten, betroffen von Ignoranz und Egoismus – die auf der Suche nach einem neuen Gefühl und der Hoffnung, zurückgeliebt und gebraucht zu werden, über Leichen gehen.
Hunt kam vom Züchter, wurde gegen den Willen der Eltern vom Sohn gekauft und dort auch wie ein Enkelkind geparkt, als er nervig wurde und tägliche Versorgung forderte. Die Eltern wiederum umsorgten ihn viel und verloren irgendwann den Blick für Probleme und Verhaltensänderung. Das Ende vom Lied waren mehrere Beißvorfälle im Familienverband und ein gebuchter Platz in der Kühltruhe vom Tierarzt.
Hunt ist ganz klar Opfer einer Modeerscheinung geworden, mit der sich gutes Geld verdienen ließ. Blueline – genauso teuer wie krank. Hunt ist epilepsiekrank und hat mittlerweile schwere Arthrose, stabile 13 Jahre wird er jetzt – und dafür haben wir uns den Arsch aufgerissen.
Am Anfang unantastbar, eigensinnig und zum eigenen Wohle sehr abwehrstark, hat er sich so durch die Menschen gebissen – auch meine Hand war mal dran, als er beim Maulkorbaufsetzen das Timing mit dem Leckerchen als verspätet empfand.
Ein glatter Durchbiss am Handballen – wäre er ein Mensch, wäre er ein ungeliebter Choleriker.
Aber das ist er nicht, und so ist er einfach ein geliebter, wütender Hund.
Casper hingegen wurde wild und frei draußen geboren.
Er war Straßenhund in Griechenland und hat ein Problem mit Uniformen. Das ist kein Scherz – die Vermutung liegt nahe, dass er ein sogenannter Riotdog ist – einer derer, die sich Demos anschließen und die Polizei verdrängen.
Er ist nun schon alt, aber mit Engelbart-Strumpf-Montur z. B. braucht man nicht ins Gehege laufen.
Er ist halt einfach immer noch gegen das System und kämpft nach wie vor für … ja, das weiß man gar nicht so genau, aber er macht’s. Hauptsache DAGEGEN!^^
Beide Typen sind ein klares Indiz dafür, dass es nicht auf Rasse oder Herkunft ankommt.
Hunde werden dann auffällig, wenn ihre Halter reinscheißen. Nicht jeder Mensch ist dafür gemacht, Hunde zu halten – da nicht jeder gut führen kann.
Dies allerdings ist eine Eigenschaft, die für viele Hunde wirklich essentiell wichtig ist – und das zeigt sich früher oder später im Beziehungsstatus „Es ist kompliziert“.
Casper hat nie ein Zuhause gefunden, weil er und sein bester Freund Zeus nicht für die Haltung in der Wohnung, für stressige Routinen und eine tägliche Struktur gemacht sind. Die beiden stellen alles in Frage – und ich finde, dass wir gerade bei Hunden aus dem Import sehr genau hinschauen sollten, welcher Hund Menschen wirklich mag, und wer sie nur als Futterspender sieht, sie ansonsten aber meidet und eigene Sachen zu tun hat.
Dieses ständige und emotional unaufgeräumte Eingreifen in das Leben von freien Straßenhunden wird mehr und mehr zum Problem – und hier, im Land der Retter, oft eher zum Alptraum.
Es gibt sicherlich ausgesetzte und misshandelte Tiere, die auf unsere Hilfe angewiesen sind, da sie sonst an Hunger oder Verletzungen sterben.
Es gibt aber auch viele Streuner, die so aufgewachsen sind, für die ein Shelter die Hölle auf Erden ist – und die 5 bis 8 Jahre in Freiheit 12 Jahren in einem deutschen Haushalt als „Angsthund“, den man nie ableinen und auch nicht alleine lassen kann, deutlich vorziehen würden.
Das passt nicht in unser Bild, weil der Tod – und damit das Ende des eigenen Seins – eine furchtbare Vorstellung ist. Für Tiere (ausgenommen von brutal geschlachteten Tieren aus der Massentierhaltung und anderen Fällen von Tierquälerei) gehört der Tod allerdings zum Leben und wird in Kauf genommen.
Casper wäre vermutlich schon tot da, wo er gelebt hat.
Hier wäre er das aber auch gewesen, wenn wir nicht eingegriffen hätten … merkste selbst?
Hunt wiederum kennt diese Freiheit nicht.
Er wurde geboren und direkt in unsere Welt gebracht. Er liebt Sofas – und er weiß sich seine Menschen zu erziehen. Ihm die Kooperation und eine Frustrationstoleranz gegenüber Menschen beizubringen, war da schon ziemlich kniffelig, da er sich das Beißen bereits zur erfolgreichen Strategie gemacht hat.
Und ja – da hilft keine Liebe, denn die brachte ihm genau den Frust und den Willen, seinen Status so weit aufzubauen, dass er alles im Griff behalten konnte und nicht Gefahr lief, mit diesen führungsuntauglichen Familienangehörigen unterzugehen.
So wurden wir beim Maulkorbanziehen angegriffen, beim Anleinen angefaucht und gekratzt, beim Füttern war Atmen verboten – und Gassi: „JA“, aber nur zu seinen Konditionen.
Konflikte also, die man aushalten und sogar regeln musste – egal in welcher Verfassung man war.
Ein „Ich fühl mich heute nicht so“ bekam von Hunt direkt die Antwort: „Na, dann stirb halt endlich.“
Erst ein „Pass mal auf, Kollege – ein Schnupfen ist noch keine Einladung zum Totbiss“, mit entsprechender Krawallbereitschaft überzeugte ihn, sich in Zukunft besser zu orientieren und ggf. mal die Bälle flach zu halten.
Toll, oder? Wenn man am Ende das Arschloch sein muss, das seine Grenzen wirklich verteidigt – nachdem dem besten Freund des Menschen jahrelang vorgelogen wurde, dass er die Hosen an hat.
Beide Typen leben hier auf diesem 8000 qm großen Flecken Erde relativ zufrieden, gehen zur Physio oder einfach freundlich mit ihren Bezugsmenschen um.
Wir machen sie sichtbar – stellvertretend für so viele, die von der Haustierindustrie, sorglosen Haltern und vom sogenannten Tierschutz unsichtbar und kalt gemacht werden.
Grüße aus der Hölle.