Spike

Rasse Pitbull
Geburtsdatum 01.01.2010
Geschlecht männlich
Farbe schwarz, weiß

Spike wurde im Osten Deutschlands herrenlos aufgegriffen. Da sich auch nach Wochen einfach niemand für ihn meldete und er auch schon verhaltenstechnisch angezeigt hatte warum dies wohl so war, ging man im Tierheim davon aus, dass er wohl ausgesetzt wurde. Spike ist zwar optisch ein echter Hingucker und ein wirklich toll proportionierter Vertreter der Marke Bollerkopf sein Inneres ist aber eher UNMÖGLICH! Er wird hier auch immer mal spaßhalber, der Wutbürger genannt. Bei Spike ist das nämlich so: hat er eine Meinung, dann ist diese Gesetz und wird mit völlig unverhältnismäßigen Maßnahmen auch von ihm durchgesetzt. Er ist allergisch gegen Antworten wie:“Ja aber…“ und noch schlimmer wird es wenn er das Gefühl hat man will ihn bestechen. Eigenheiten die ihm im Tierheim nicht nur Mitleid einspielten sondern auch Ablehnung und Frust der dort angestellten Pfleger. Wer lässt sich schon gerne ins Krankenhaus schicken wenn er eine Decke tauschen will oder das Futter zu langsam hinstellt? Niemand. Und weil man aber genau für diese Dienste angestellt ist und sich jeden Tag mit dem Stinkstiefel der Hölle prügeln muss- erlebten sämtliche Konflikte eine sehr abgehobene, gemeine und zum Teil brutale Ebene.

Leider ist es nämlich in der Ausbildung des gemeinen Tierpflegers nicht enthalten auf das eigene Überleben trainiert zu sein. Grade im Umgang mit Hunden und deren sach- und fachkundiger Einschätzung. So begeben sich Pfleger zum Teil in Lebensgefahr weil die Dachverbände nicht mitschneiden, dass Hunde sich verändern und es mittlerweile vielerlei Auswüchse im Aggressionsverhalten gibt die gut erkannt und entsprechend sachkundig betreut werden müssen. Aber Hey! Menschen sind ja nicht vom Aussterben bedroht und wo einer fällt wächst ein anderer nach. Und JA wir sind deswegen frustriert!

Kurzum: Man überlegte bald Spike ein Ende zu bereiten, da man dann doch um die Sicherheit der Mitarbeiter fürchtet und es ja so auch kein Zustand ist. Spike allerdings hatte Glück und Menschen die ihn nicht so einfach aufgaben, weswegen er in eine Pension wechselte, wo Menschen sicher im Umgang mit verhaltensauffälligen Hunden waren und ihm eine Chance einräumten. Spike entwickelte sich dort sehr gut. Er liess sich zwar nicht mit Maulkorb sichern dafür aber in allerhand alltäglichen Situationen händeln ohne aus zu rasten. Leider kam es eines Tages zu einem Vorfall bei dem eine Hündin über ihren Zwinger kletterte und zu Spike in das Abteil stürzte. Typisch Wutbürger war dieser eben gar nicht einverstanden mit einem Einwanderer und es kam zum Kampf bei dem er die Hündin schwer verletzte. Dem Pensionsbetreiber gelang es zwar beide rasch zu trennen- aber um die Klinik kam er nicht drum herum. Die Hündin überlebte, und als er nach Hause kam fand er Spike zusammengekauert in der Ecke seines Zwingers im Selbstmittleid ertrinken. Gutherzig wie er war wollte er nachsehen, ob Spike auch Verletzungen davon getragen hatte und tatsächlich er hatte eine Schramme am Fuß. Als er die Wunde jedoch näher betrachten wollte entschied Mr. Spike von Sense das er derartige Nähe nicht duldet und zerbiss die helfende Hand bis zum Sehnenriss.

Hündin in der Klinik, Mensch auch.

Versorgt wurde Mr. Undertaker dann von der Pensionsbetreiberin zu der er einen eigentlich guten Draht hatte. Doch wie Herr Nörgel so ist, blieb er eines Tages im Auslauf hocken und wolle nicht rein. Da dies aber keine Option war, da der Auslauf keinen Übersprungschutz hatte hockte sich die Dame hin und lockte ihn mit Leckerlie. Spike überlegte kurz, trabte zu ihr hin, nahm das Leckerlie und zerbiss ihr Unterarm und Oberschenkel als er merkte, dass kein Nachschub kommen würde. Logisch. Mach ich auch immer so wenn der Kaffee alle is….

Und obwohl ich nicht dabei war, weiss ich genau wie er geschaut hat und wie hässlich er auf sie losgegangen ist.

Als Spike zu uns wechselte war ich grade auf meinem Höhenflug zur Unsterblichkeit, wegen zahlreicher TV Formate und einem Selbstvertrauen was bis zum Himmel stank. „Locker, das kriegen wir schon hin“, beruhigte ich die beiden, als sie mir Spike schweren Herzens übergaben. Ich wusste ja nicht, dass ich mir mit ihm und wenig später mit unserem „Fresse“, meine absoluten Sparingpartner eingekauft hatte.

Kennt ihr die Situation wenn ein richtig ätzender Mensch den Saal betritt, von dem man bereits sämtliche Eskalationen mit Fremdschäm-Niveau kennt und wo einem schon beim bloßen Anblick die Spucke im Mund zusammen läuft man zwanghaft auf den Boden starrt und einfach hofft das dieser Mensch doch bitte heute einfach die Fresse hält? Genau so war die erste Zeit mit Spike. Sichern mit Maulkorb war jeden Morgen eine halbstündige Zeremonie mit Gekeife, zerstörtem Material und Wut. Ihm stand die Scheisse schon in die Augen geschrieben da war man noch nicht vollständig im Raum. Hatte man ihn gesichert sprang er einen an und klammerte sich mit dem Maulkorb boxend am Bein fest. War er dann draußen kanalisierte er seine schlechte Laune direkt auf die erstbeste Lebensform die er sehen konnte. Ich bin ehrlich es gab Tage da stand mir die Kotze schon allein beim Gedanken gleich wieder die Kür des Todes mit Spike tanzen zu müssen schon im Hals. Doch die Mühe war nicht umsonst, Stück für Stück erkannte Spike seine durch den Maulkorb neu gewonnene Freiheit und der Kampf reduzierte sich morgens Stück für Stück auf ein paar dumme Blicke aber ein Nase in den Maulkorb schieben runter.

Wie gesagt das schlimmste an Spike ist die Überzeugungsarbeit die geleistet werden muss, wenn man irgendwas von ihm will. Typische Muster wie nett sein, Kekse werfen oder auch Zwang enden für die Gegenseite immer im Krankenhaus, da er davon sehr in ehemals erlebtes getriggert wird und dann nach vorne geht. So ist er der der wegen einem abgeknickten Tasthaar einen Krieg vom Zaun bricht und sein Händler der der den Auftrag hat ruhig zu bleiben.

BOMBE!

Nach einiger Zeit waren wir dann so weit, dass wir ihm eine Auszeit vom Maulkorb gegönnt haben, weil wir emotionale Menschen mit schlechtem Gewissen und Lemming Genen sind. In dieser Zeit ereignete sich folgendes: Spike wurde morgens in seinem Zimmer abgeholt und mit Futter zu seinem Auslauf gebracht. Da er kein Freund von schlechtem Wetter ist und damit gold richtig in Norddeutschland war das reinholen ohne weiteres immer möglich. An jenem morgen hatte ich einen Eimer voller Snackstangen, Pansen und Schweineohren dabei und ließ erst Spike und dann unseren Arnie raus, da beide gute Kumpels geworden sind. Ich ging also zwei mal mit dem Eimer an Spike vorbei und erntete dafür den Todesgruß von Spacko-Spike der sich vor lauter Wut in meinem Stiefel und zu Teilen auch in meinem Bein verbiss und anfing dies zu schütteln. „ Das is doch…Das kann doch…NICHT DEIN SCHEISS ERNST SEIN!“, flog es ihm entgegen während ich versuchte Balance zu halten und mein Gehirn sortierte, dass dies grade tatsächlich passierte, als Spike auch schon der Leckercheneimer auf den Kopf flog. Erstaunt aber auch direkt positiv bestätigt durch die Pansenstangen die ihm dabei um die Ohren flogen, liess er ab und ich flog fluchend aus dem Raum einem Kollegen entgegen, der rasch die Farbe wechselte als er erkannte dass es Spike war, der ungesichert im Trackt stand und sich Schweineohren reinzog. Ich krämpelte die Hose hoch, im Stiefel und an Stiefel herunter hing Fett welches Spike durch den enormen Druck auf Stiefel und Bein einfach aus der Unterhaut herausgebissen und gedrückt hatte. Kurzes Kotzgeräusch, dann ging ich zum Medizinschrank und schnitt alles was frei hängend und fehl am Platz erschien ab. Bear Grylls würde das auch so machen…dachte ich noch während mein Gehirn wieder sortierte was grade geschah und dann Rückmeldung gab: „Da war n Nerv dabei“….Aaaaaahhhhh flog ich unter ungläubigen Blicken der Belegschaft den Flur runter und konnte grade noch die Tür zum Trackt zutreten, da Spike sich wohl durch meinen Schamanentanz gegen den Schmerz eigener Dummheit, gestört fühlte und kam um mich zu erlösen. Die Tür schwang wieder auf und aus dem Augenwinkel sah ich wie Spike sich grade wieder selbstgefällig in sein Pansenstangenwunderland fallen ließ und immer mal in die Runde schaute wie ein Kind dem man erklärt dass die Milchschnitte leer ist.

Das Problem: Spikes Futteraggression und sein Triumph über mich und den Leckerlieimer ließ ihn grade in Richtung Status Level Unterblich empor schweben, während sich meine Unsterblichkeit grade Richtung Keller verpisste und Demut Einzug hielt… zumindest kurz. „Ja aber, es muss ja weiter gehen, die anderen Hunde müssen raus aber wenn dieser Pestkranke da jetzt den ganzen Tag den Flur verteidigt wird das nichts.“ Und so bewaffnete ich mich im nächsten Moment mit allem was man werfen konnte und es hagelte alte Wanderschuhe, Besenstiele, Näpfe, Dreck, Spülschwämme und alles andere was nicht irgendwo fixiert oder zum schwer zum anheben war. Ich hab selten getroffen und in seinem Zorn hat er einige Sachen auch einfach gefangen und zerquetscht aber als er merkte, dass sogar die Mitarbeiter auf Abstand gingen weil eben nicht mehr klar war vor wem man jetzt Abstand halten musste und in letzter Konsequenz eine alte Klappleiter untermalt mit Flüchen durch den Raum flog wich er zurück. Ich betrat den Raum und warf ihm eine Leine über den Kopf , führte ihn nach draußen und bastelte den Maulkorb drauf. Die Luft zwischen uns hätte man schneiden können aber danach war alles als wäre nie was gewesen und während das Kriegsgebiet geräumt wurde und die letzten Hunde rausgeführt wurden machte sich eine seltsame Ruhe auf der Anlage bemerkbar. Spike und ich gingen erstmal in die Küche einen Kaffee trinken und uns ein Sandwich teilen.

Wieso macht man sowas ?

Spike hatte in der Vergangenheit einige Menschen verprügelt und war der Annahme, dass er diese Strategie so auch einfach weiter führen konnte. Leider waren die Verletzungen seiner anderen Opfer immer so heftig, dass alle das Feld räumen mussten. Er hatte nie die „Gelegenheit“ die Erfahrung zu machen, dass es durchaus wehrhafte Menschen gibt die genau diese Verhalten nicht dulden ansonsten aber kein Problem mit ihm haben. Hätte Spike z.B. nach dem Biss ein Schweineohr gekrallt und wäre abgezischt hätten wir ihn laufen und aufessen lassen und danach erstmal wieder mit Maulkorb gesichert. Aber Spike plante an diesem Tag eben die Übernahme des Hundetraktes und das war einfach keine Option. Da lag die Lösung ihm sein Umfeld so unangenehm wie möglich zu machen nahe. Sobald er nachgab war das Problem aber auch eben nicht mehr existent- deshalb auch das gemeinsame essen, welches trotz Sandwich durch den Maulkorb popeln ohne jegliche Ausraster auskam. Wenige Tage später, machte er mit einem unserer Wolfshunde ein Fass auf und rammte diesen trotz Maulkorb in den Boden. Ich kam dazu, pflückte ihn ab und schubste ihn vor mich. Er drehte sich erbost um, fixierte mich und wir starrten uns an. Plötzlich ging er zwei Schritte rückwärts und setze sich hin wir glotzten uns an irgendwann fing er an zu wittern und tat so als hätte er eine unheimlich wichtige Geruchsspur, verließ die Situation und bog in eins der Zimmer ab wo ich ihn im Körbchen wieder fand. Er hatte wohl doch gelernt und so lachte ich als ich ihn fand und er freute sich und ließ sich kraulen.
Diese eine Einsicht und diese kleine Nuance an Händelbarkeit mehr, sollten ihm ein halbes Jahr später sogar das Leben retten. Denn Spike hatte in seinem Bett auf seine Decke gekotzt und fraß diese einfach stur auf, als ein relativ neuer Mitarbeiter der Foundation das Zimmer betrat, Spike hat hier noch nie Betten oder irgendwas angefressen, das er so reagieren würde ahnte einfach niemand. Wenig später begann er zu würgen, brachte die Decke aber selbstständig nicht mehr raus. Wie auch- war sie mitsamt Frühstück zu Teilen in den Magen, Magenausgang und durch das Würgen und krampfen auch wieder hoch in den Schlund gewandert und dort hängen geblieben. Spike musste gesichert und in die Tierklinik gebracht werden, da er zu ersticken drohte. In der Klinik wurde er in Narkose gelegt, was nun auch ging und sowohl via Endoskopie als auch zu teilen operativ von der Decke befreit. Soweit so gut. Da er noch recht schwach vom Eingriff war ließ man ihn noch zwei Tage in der Klinik am Tropf. Illusionen muss man sich nicht machen – er war kein freundlicher Hund aber eben nicht mehr der Spike der sich in jeden Furz reinsteigerte und vor lauter Gift und Wut kein Ende mehr fand. Es war mittlerweile schon fast gesunde Kommunikation, als anzeigendes Mittel, dass ihm grade was missfiel. So durfte er nach 3 Tagen nach Hause. Zwei Tage später, er wurde grade morgens raus gelassen zum füttern und der Napf war bereits abgestellt (also kein Herankommen mehr möglich) bemerkten wir ein rotes undefinierbares Stück aus der Naht heraus welches sich in der Bewegung zum Napf hin als Teil seines Magens herausstellte. Während er anfing zu fressen füllte sich dieser und rutschte weiter. Entschlossen brüllten alle los und so konnten wir ihn abbringen sich umzubringen. Maulkorb auf, Verband um den gesamten Rumpf und im Turbogang ab in die Klinik. Wieder in Narkose, wieder zu machen, wieder an den Tropf. Am Abend die gute Nachricht, dass alles gut gegangen ist . Am nächsten Morgen dann der Anruf, dass Spike beim Aufstehen zum füttern der Darm aus der Naht gefallen war. Wir brauchen gute 20 Minuten in die Klinik und die Gefahr, dass er sich in der Zeit weil er das Futter verteidigen will, in die Schlingen tritt und der Darm reist war akut. Ein strenges Sitz vom Arzt und Spike ließ vom Futter ab und setzte sich hin. Via Infusionsschlauch kam dann erneut eine Dröhnung ins Lala Land und Spike wurde wieder zusammengestopft und bekam ein Bauchnetz eingenäht. Er hatte eine Wundheilungsstörung die immer wieder dazu führte dass die Naht aufriss.

Nach einer Woche dann eine erneute Narkose mit Wundauffrischung und Doppelnaht und seither haben wir glücklicherweise keine inneren Werte mehr von Spike gesehen.
Dafür haben wir mittlerweile einen ziemlich umgänglichen Typen, der auch mal mit im Bett schläft oder fürn Spaß mit auf Seminare fährt, hauptsächlich wegen den Stopps in sämtlichen Drive Inn auf der Strecke.

Spike ist wie er ist und damit muss man umgehen können oder einfach selbst manchmal nen Arsch haben der breiter als die Tür ist, Querulanten unter sich. Wer es nicht mit ihm aufnehmen will hat schon verloren und wird den Tag nur überstehen wenn er mit unfreiwilligem Farbwechsel nach Art eines Chamäleon klar kommt. Er hatte nie einen Besitzer weil man einen derartigen Charakter einfach nicht besitzen kann. Ergo ist er Hellhound und bleibt dies auch. Wir lieben ihn für alles was er ist und vor allem weil er oft genug beweist dass eigentlich keiner wissen will wie Hunde als „bessere Menschen“ tatsächlich wären. Er zerstört sämtliche Illusion das Hunde dankbar sind und tritt einem sämtliche romantische Vorstellungen was die Rettung solcher Hunde angeht aus wie eine lästig gewordene Kippe am Currywurststand.

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