Hunt aka die Hand

Rasse Pitbull
Geburtsdatum 19.08.2014
Geschlecht männlich kastriert
Farbe grau, weiße Abzeichen

Hunt aka Die Hand

Hunt war das Produkt jugendlichen Leichtsinns, ohne große Nachfrage im Elternhaus angeschafft und dann vernachlässigt. Natürlich sahen die Eltern nicht tatenlos zu und Hunt bekam alles was ein Hund zum Leben brauchte. Aber neben Streicheleinheiten, Gassiegängen im Block und gutem Futter waren beide Eltern berufstätig während der Sohnemann an die 20 Jahre alt, sich eher von der stressigen Schulzeit zu erholen schien. Pizza, Playstation und Couch konnte Hunt gut aber Fürsorge allein reichte bei dem jungen Rüden nun mal einfach nicht aus. Und so kam es, dass er mit Eintritt der Geschlechtsreife seine Halter Zusehens auf die Probe stellte ob sie seiner Vorstellung einer intakten Rudelhierarchie wohl genügen wurden und Überraschung, sie taten es nicht.
So kam es, dass Hunt begann in den unterschiedlichsten eigentlich alltäglichen Situationen aggressiv zu reagieren. Er ließ sich die Füße nicht mehr abtrocknen, kein Geschirr mehr anlegen, verteidigte Futter und biss zu, wenn man ihn über den Kopf streichelte. Zuletzt hatte er beim Anleinen zugebissen. Von Hundetrainern vor Ort begutachtet hatte man dann bald eine ganze Bandbreite an Informationen was los sein könnte aber keine Ahnung wie man damit umgehen sollte. Schlussendlich und als nach einigen Versuchen keine Besserung erfolgte gab man auf und ging dazu über nach Hunts Konditionen zu handeln. Wenn er was nicht wollte, wurde er in Ruhe gelassen. Er bekam Leckerli in jeder erdenklichen Situation, Hauptsache er biss nicht wieder zu. Hunts Gang war steif, die Rute stehts Kerzen grade nach oben gestreckt und man merkte schon, dass das kleinste Problem die Bombe hochgehen lassen würde. Auf RTL gabs mal so eine Sendung mit Kindern die ähnlich drauf waren und die manche bemitleidet haben viele aber einfach nur gehasst haben für ihr Verhalten.
Bemitleidenswert war Hunt zu dem Zeitpunkt in der Tat. Allein in seiner Schreckensherrschaft ordentlich frustriert und ohne wirklichen Sinn und Verstand wo die Reise denn eigentlich hingehen soll Tag ein Tag aus und dann auch noch Fett wie ein Masthahn.
Gangsterrapper gefangen in der eigenen Gang. Nur Hunde um ihn herum die ihn nicht verstehen. Als es dann wieder mal soweit war und der Vater der Familie im Krankenhaus landete weil er beim Anleinen zu lange gebraucht hatte, versuchte man uns verzweifelt zu erreichen. Mail, Telefon – keiner reagierte. In der Foundation war damals grade mal wieder die Frage aufgekommen wo das alles hinführen soll und wer denn diese ganzen Hunde auffangen soll, wenn Leute ohne Sachkunde und Vorkenntnis sich einfach Hunde kaufen und dann nicht mit deren Einstellung zum Leben klar kamen. Zudem hatte uns grade mal wieder ein anderer Verein auf dem Sender der nicht verstanden hatte, dass wir keine Konkurrenz sind sondern auf der selben überfüllten Arche hocken und unter gehen wenn sich nichts tut. Nö wir helfen hier keinem mehr, lasst euch doch alle fressen ! War die Ansage mit der ich vehement die Medien ignorierte die den Kontakt der Außenwelt in die Foundation herstellten. Man kann sich dass ein bisschen wie ein gallisches Dorf vorstellen, wenn hier Kriegsstimmung herrscht dann bei allen, sodass hier der ein oder andere Praktikant schon leicht zittrig seinen Kaffee konsumierte, da die Hellhound Menschen hier fließend dämonisch sprechen und die drum herum schwirrenden Hunde diese Stimmung logischer Weise gekonnt übernehmen.
Und so wäre es auch geblieben wenn der Postmann sich von der Stimmung hätte beeindrucken lassen, wir hätten wohl doch Köpfe auf die Zaunpfähle spießen sollen. Einen einzigen und damit schwer zu ignorierenden Brief drückte er mir in die Hand. Es war Hunts Geschichte, wackelig geschrieben, mit der Bitte um Hilfe da niemand half und der letzte Ausweg ein vom Tierarzt mitgegebenes Sedativum war welches Hunt verabreicht würde um ihn gefahrlos einschläfern zu können.
Bitte was?!
Und ja Rumpelstilzchen ist ein Scheiss gegen den Tanz den ich dann aufgeführt habe aber sauer sein hin oder her, in dem Brief stand ja nicht bloss nehmt ihn oder er ist tot sondern wir haben nur noch zwei Wege, ihr oder der Tod. Das heißt wir standen quasi mit dem Sensenmann auf der Wage. Okay, die Welt werden wir nicht retten aber das heraufbeschworene Arschloch in der schwarzen Robe schick ich jetz erstmal heim.
Gesagt getan, riefen wir bei der Familie an welche fast 8 Stunden, also am entferntesten Randgebiet von Deutschland lebte und machten eine Zusage. Noch in der selben Nacht fuhren Hunt und der von ihm immer noch in Verbände gepackte Vater der Familie los und kamen früh morgens hier an. Hunt war not amused, trug sein Fähnchen vorsichtshalber aber mal lieber doch nicht so hoch. Der Besitzer verabschiedete sich und zurück blieb ein speichelnder, nervöser, gefallener König der Zeit seines Lebens begleitet durch seine menschlichen Untertanen gar nicht mehr wusste oder ggf. auch noch nie wusste, wie man mit anderen Hunden umgeht geschweige denn kommuniziert. „Fass mich nicht an!“, war in den folgenden Wochen sein Leitspruch, den er mit allen Mitteln durchzusetzen versuchte. Wir waren geplättet von diesem extremen Verhaltensumschwung, hatten wir ihn ja immerhin als den Herrscher über allem, mit seinem Halter zusammen erlebt. So kam es, dass ich getrieben von Emotionen die sich da Mitleid schimpfen beschloss ihm den Maulkorb mit Leckerli und Markerwort drauf zu sabbeln. Und ich muss sagen, ganz so eingestaubt war mein theoretisches Wissen also nicht und es gelang mir innerhalb kürzester Zeit Hunt den Maulkorb so vorzustellen, dass er seine Nase artig reinstopfte während er das durch den Maulkorb gefädelte Leckerli wegrüsselte. Auch als ich wenig später die Leckerli weiter nach hinten schob, also dann wenn der Mauli komplett aufgezogen war ging super, hatte er doch erkannt, dass es danach auch immer raus zum Gassi oder zu seinen mittlerweile gewonnenen Hundekumpels ins Gehege ging. Maulkorb anziehen war also eine Sache von einigen wenigen Sekunden geworden und auch sonst entspannte er sich langsam von seinem einstigen Status weg.
Bis, ja Biss… Ich ihm wie jeden Morgen den Maulkorb drauf zog, die Leckerli schon im Anschlag und mir schlicht der Maulkorb Riemen aus den Fingern glitt ich nachgreifen wollte und Hunt mir direkt und ungebremst in der Hand hing. Aber wieso er war doch auf so einem guten Weg?
Genauer betrachtet waren WIR damit auf gar keinem Weg. Er war auf seinem und in seiner Entwicklung und ich wollte ihm nur gut, nur dass ihn meine Gedanken dazu nicht ansatzweise interessierten. Was ich damals gemacht habe ist, ich habe über all seine Probleme und Defizite einfach nur ein Verhaltensprogramm drüber gespielt welches ihm Erfolge versprach wenn er zu Situation Maulkorb ein angepasstes Verhalten zeigte. Denn er war immer noch Kopfscheu und immer noch angespannt wenn man ihm auf den Pelz rückte, er hatte immer noch Viren auf der Festplatte wenn es um das Level Frustrationstoleranz ging und wenn er keinen Erfolg sah sowieso . Gebissen hat er mich, weil in seinem gewohnten Ablauf und in unserer eintrainierten Maulkorb-Aufzieh Choreographie etwas unerwartetes passiert ist, sich der Keks verspätete und er dadurch einen Tobsuchtsanfall erlitt. Dass er lediglich meinen Handballen zu unansehnlichem Mett umgestaltet hat habe ich seiner eigenen Cholerik zu verdanken und der Tatsache dass sich während er zubiss, wohl noch ein Schrei der Verachtung in seine Kehle gekrochen war und ihn zum Luftholen zwang. Er ließ also kurz ab und sprang mir dann durch den Raum hinterher und verbiss sich in der Tür die ich grade noch vor seiner Nase zuschlagen konnte.
Hier tönen Leute ja all zu gerne: Ja wenn der Hund gewollt hätte dann wäre die Hand ja ab gewesen.

Ja nee. Er wollte mich ja nicht essen, sondern nutzte mich als Ventil für seinen Frust. Dass heisst er hatte zwar vor irgendwas zu beschädigen und in dem Fall mich weil ich grade an seinem Kopf rumhantierte aber als Beute sah er mich nicht an. Im Gegenteil, wir waren hier noch nicht fertig und immer noch im Gespräch. Vor der Tür musste ich mich kurz anlehnen weil jetzt auch in der Schaltzentrale angekommen war dass die Hand aus Nerven, Mett, Nerven und mehr Mett bestand und raunte nur : Ich bin so bescheuert nett ! Zum kotzen !
Jetzt kurz hingucken, dann erstmal nach unten halten damit die Erdanziehungskraft und der Blutfluss wohl möglichst alle Keime ausschwemmen mögen. Schnell ne Cola in n Kopp damit der Kreislauf weiter mitspielt und irgendwas locker drüber kleben damit nicht noch mehr Dreck rein kommt. Alle Finger bewegen, klappt. Rückmeldung vom Daumen: Koma. Na immerhin 4 von 5. Hunt hatte sich währenddessen hinter der Tür auch noch nicht beruhigt am Maulkorb ging nun aber kein Weg vorbei, da ich nicht wusste ob ich mit der Hand evtl. einen Arzt aufsuchen müsste, da der Daumen weiterhin nicht reagierte. „Brennt dir der Helm?!“, flog ich durch die Tür und Hunt sprang fast aus seiner Haut. „Hier her jetzt du Lappenkopp!“, schnauzte ich ihn an und hielt ihm den am Riemen baumelnden Maulkorb vor die Nase.(Ich hatte mir den hinteren Maulkorbriemen bereits an der weitesten Einstellungsmöglichkeit geschlossen, weil ich diesen ja nun einhändig aufziehen musste und gewiss auch nicht nochmal direkt neben seinen Fang greifen würde, um so eine doofe Situation vorerst auszuschliessen). Hunt kam leicht demütig angeschlichen, hatte er es ja jetzt mit der Herrin der Finsternis persönlich zu tun. Ohne ein Wiederwort und als ob es schon immer so war steckte er den Kopf durch den Riemen und flippte sich den Maulkorb auf die Nase. Natürlich waren wir beide reichlich angespannt aber es gelang mir den Maulkorb zu schliessen und so ging der Tag dann eben doch noch weiter. Der Damen meldete sich nach einigen Stunden via Kribbeln zurück und dann tats auch der tägliche Verbandswechsel…man kennt das ja.
Blöd war, dass Hunt aka die Hand ( wir benennen die Hunde im Spaß ja meist nach den Körperteilen die sie erwischen und falls sich jetzt einer fragt: Ja, ein Herr Pimmel war auch schon dabei- man nimmts eben mit Humor oder gar nicht.)nun irgendwie einen Entwicklungsstopp einlegte. Durch die Attacke gegen mich hatte er wohl einen Bereich im Arbeitsspeicher wieder hergestellt, der den alten Statusquatsch wieder aufleben ließ. Er machte wieder Probleme wo keine waren und schien sich immer mehr in sich zurück zu ziehen. Verfahren.
Zum Glück drängelt ja aber hier kein Vorstand auf Lösungen oder rufen irgendwelche Leute zu Ethik-Kommissionen auf, die dann in 60 Minuten beurteilen ob der Hund noch zu retten ist und ein schönes Leben hat. Also sicherten wir ihn, nun ohne Leckerli und ließen ihn laufen, zwischen den Hunden weit weg vom häuslichen Umfeld. Dies zog er ein halbes Jahr durch, doch wir vermittelten mehr und mehr seiner Hundekumpels und am Ende war er allein. Er legte sich nun vermehrt mit den anderen an, suchte seinen Platz in der Gruppe, wirkte gestresst und unglücklich, sodass wir ihn tagsüber erstmal in einen der einzelnen Ausläufe oder Zwinger laufen ließen. Ein Maulkorb war hier erstmal nicht mehr nötig da er die Abläufe schnell verstand und hier gut kooperierte. Ein weiteres halbes Jahr verstrich als wir eine Veränderung bemerkten. Hunt wurde aufmerksamer und interessierter. Die Brücke schlug etwas unbewusst einer unserer Praktikanter welcher hinging und sich Hunt als Model aussuchte um ihn mit dem Maulkorb zu sichern. Keine Minute später standen beide etwas verdutzt auf der Straße bereit für einen Gassigang. Hunt verblieb nach der netten Rune vorne im Haus und zeigte, dass er nicht zurück in seine Einöde wollte. Er freute sich, mit Maulkorb gesichert, über Besucher. Schmiss sich zum kraulen an diese heran und hüpfte fröhlich durch die Küche und genau das ist er auch heute noch. Ein fröhlicher Typ der Konflikte sauber lösen kann und der einfach für sich beschlossen hat, dass er Menschen irgendwie mag.
Ich glaube, dass er bedingt durch seine Zucht- Wühltischwelpe aus Ungarn und die zwar ordentliche aber wenig anspruchsvolle und sozial etwas knappgeratene Haltung zu dem wurde was er uns gegenüber zeigte, im Kern aber schon immer ein netter und sehr sozialer Blueline ist. Wir bleiben an ihm dran und hoffen, dass in seinem Profil irgendwann von seiner Vermittlung zu lesen sein wird.

 

 

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